Moderne MES bieten enorme Digitalisierungschancen, so Branchenbeobachter Dr. Karsten Sontow von Trovarit, und 88% der Befragten einer Studie ordnen dem Thema eine hohe Relevanz zu. Das war Grund genug, mit führenden Praxisexperten und Wissenschaftlern in der zweiten Auflage des Competence Books MES das Thema noch einmal umfassend zu beleuchten und u.a. zu klären, wie die Themen Industrie 4.0 und Internet of Things die Zukunft der Produktionssteuerung beeinflussen werden.
Werden wir ein neues Paradigma und ein Ende der klassischen Automatisierungs- und Steuerungshierarchie sehen, wenn die Entitäten der Produktion eine höhere Autonomie und eine andere Kollaboration im IoT
realisieren können? Bedeutet Industrie 4.0 dann immer eine Erhöhung der Komplexität oder existieren auch „schlanke“ Varianten? Inwieweit kann der Mittelstand von der technischen Innovation profitieren und wie kann ein systematisches Vorgehen bei Industrie 4.0 und MES der Reife der Unternehmen gerecht werden? Diese und andere Fragen klärt das vorliegende
Competence Book und verweist zugleich auf wichtige Köpfe, Partner und Informationsquellen der Branche. Ganz nebenbei erfahren Sie, dass bei
Industrie 4.0 noch viel zu tun ist, was Industrie 4.0 mit einer Pralinenschachtel zu tun hat, das MES mehr als nur Software ist und was das MES der nächsten Generationen auszeichnen wird.
MES Kompakt II - Manufacturing Execution Systems im Zeitalter von Industrie 4.0 (Competence Book Nr. 14)
1. Jürgen Kletti, Andreas Kirsch, Burkhard Röhrig, Karl M. Tröger, Winfried Felser (Herausgeber) et al.
MES Kompakt IIManufacturing Execution Systems im Zeitalter von Industrie 4.0
Competence
Book 14
Anzeigeveröffentlichung
7. 7
Competence Book - MES
Editorial - Karsten Sontow
Dr. Karsten Sontow, Jahrgang 1967, ist Grün-
der und Vorstand der Trovarit AG, Aachen,
einem Spezialisten für die Evaluation von
Business Software (z.B. ERP, CRM, ECM, BI).
Dort verantwortet er die Bereiche Marketing,
Account Management, Research und Finan-
zen. Dr. Sontow studierte Maschinenbau und
Betriebswirtschaft an der RWTH Aachen und
am Massachussetts Institute of Technology in
Cambridge, USA. Seinen Doktortitel im Ma-
schinenbau erwarb er an der RWTH Aachen.
Karsten Sontow
Sehr geehrte Leser,
das „Internet of Things“ ist längst auf dem Shopfloor angekommen: Produkte werden
nicht mehr einfach nur gefertigt, sie werden mit immer mehr Sensoren ausgerüstet
und tragen immer mehr Informationen mit sich. Geofencing und Predictive Main-
tenance, Smart Services und die „Kognitive Fabrik“ – Unternehmen, die erfolgreich
bleiben wollen, müssen sich diesen Trends stellen und ihre Geschäftsprozesse und
Produkte transformieren.
Karsten Sontow, Vorstand der Trovarit AG
Moderne MES bieten
enorme
Digitalisierungschancen
8. 8
Competence Book - MES
Editorial - Karsten Sontow
Manufacturing Execution Systems (MES) werden häufig als Befähiger dieser (Digi-
talen) Transformation gehandelt, waren sie im Kern doch immer schon das zentrale
Informationsrückgrat der produktionsbezogenen Kommunikation und wirken inner-
halb des Unternehmens als Bindeglied zwischen der kommerziellen Unternehmens-
software (v.a. also der ERP-Software) und der Ausführungsebene des Produktions-
prozesses (Shop Floor bzw. Prozessleitebene).
Im Vordergrund der aktuellen Digitalisierungstrends rund um MES steht der Ver-
netzungsgedanke. Durch ihre Rolle innerhalb der Software-Infrastruktur können
MES ein integratives Datenmanagement über alle am Produkti-
onsprozess Beteiligten gewährleisten, so dass Insellösungen und
entsprechende Schnittstellen vermieden werden. Leistungsfähige
Hardware sowie entsprechende Analysesoftware ermöglichen zu-
dem heute eine schnelle und rollengerechte Datenaufbereitung und
-verteilung – idealerweise echtzeitnah – und sorgen so für Trans-
parenz über Aufträge und Ressourcen über alle Hierarchieebenen.
Der Einsatz mobiler Endgeräte (von Smartphones und Tablets bis
hin zu Datenbrillen) zur Datenerfassung und –bereitstellung ist ein
weiterer Digitalisierungstrend. Generell ermöglicht eine sensor-
gestützte Fortschrittserfassung aktuelle und vor allem korrekte
Rückmeldungen „in Echtzeit“, um letztendlich die Planungs- und Steuerungsqualität
zu verbessern.
Moderne MES bieten erhebliche Digitalisierungschancen und viele Unternehmen
wollen diese Chancen nutzen. Aber - auch wenn überall gedrängelt und dem deut-
schen Mittelstand nachgesagt wird, dass er die Digitalisierung verschläft - man sollte
nichts übereilen!
Denn Investitionen in moderne Software und Gadgets, die dann nicht zusammen
und zu den eigenen Geschäftsprozessen und -zielen passen, bringen Unternehmen
der Vision Industrie 4.0 keinen Schritt näher.
Zum Einen bestimmen Branche und Auftragsabwicklungstyp dabei die MES-Funkti-
onsschwerpunkte. Die meisten MES-Lösungen haben zumindest „im Standard“ einen
Branchenfokus, eine branchen- und anforderungsübergreifende Anbieterstruktur
hat sich bis heute nicht herausgebildet. Somit bleibt eine versierte Software-Auswahl
wichtiger Erfolgsfaktor im Zuge einer zunehmenden Digitalisierung.
Zum anderen muss die Modernisierung oder Erweiterung der MES-Infrastruktur in
den Gesamtrahmen einer Digitalisierungsstrategie gestellt werden, damit Maßnah-
men sinnvoll geplant, koordiniert und gesteuert werden können.
In diesem Sinne wünsche ich viel Erfolg bei Ihrem Digitalisierungsprojekt und inte-
ressante Lektüre!
Ihr Karsten Sontow, Vorstand der Trovarit AG
„Im Vordergrund der
aktuellen Digitalisierungs-
trends rund um MES steht
der Vernetzungsgedanke.“
10. Competence Book - MES
Inhalt
Einleitung Perspektiven und Vorgehen Architektur und Bausteine
Unser Kompetenz-Netzwerk
Partner des Competence Books
Zukunftsbild Jürgen Kletti
MES – mehr als nur Software!
Zukunftsbild Burkhard Röhrig
Industrie 4.0:
Es ist noch viel zu tun
Zukunftsbild Andreas Kirsch
Was hat eigentlich Industrie 4.0 mit einer
Pralinenschachtel zu tun?!
Zukunftsbild Karl M. Tröger
MES für die nächste Generation
Wissen kompakt
Infografiken zu MES
Roundtable #NextMES
Produktionssteuerung im Zeitalter neuer
Technologien und Paradigmen
9
12
14
17
20
23
28
64
68
72
78
82
86
93
100
104
108
112
116
120
124
128
131
134
139
142
Architektur l
Das Industrie 4.0 Ecosystem
Architektur ll
MES als Teil einer
integrierten IT-Landschaft
Architektur lll
Architektur für MES im IoT-Umfeld
Smarte Produktion l
Agile Regelkreise in der
Produktionslogistik von morgen
Smarte Produktion ll
Betriebssystem für
wandlungsfähige Fertigungsanlagen
Technologie
Das ABC der Smart Factory
Planung l
Feinplanung in der Fertigung
Planung ll
Von Feinplanung bis Qualitätsmanagement
MES IQ l
Manufacturing Intelligence
MES IQ ll
MES - Kennzahlen - KPI
Kommunikation
Bidirektionale Kommunikationswege
Mobile
MES Mobile
Industrie 4.0 l
Bedeutung für mittelständische
Produktionsunternehmen
Industrie 4.0 ll
MES als Wegbereiter
Industrie 4.0 lll
Lean MES 4.0 -
eine mittelstandstaugliche Alternative
Industrie 4.0 lV
MES „on demand“
für die selbstlernende Fabrik
Vorgehen l
Die 4 Stufen zur Smart Factory
Vorgehen Il
Auswahl und Einführung von MES
Vorgehen lll
Erfolgreiche IT-Projekte im Shopfloor
12. 12
Competence Book - MES
Zukunftsbild Jürgen Kletti
Sehr geehrte Leser,
zu behaupten, ein Manufacturing Execution System (MES) wäre nur ein weiteres
Stück Software in der eh schon unübersichtlichen IT-Landschaft eines Unterneh-
mens, würde den damit erreichbaren Nutzen keineswegs widerspiegeln! Vielmehr
ist MES ein Konzept und für seine Anwender sogar eine (Über-)Lebensphilosophie.
Das Denken in MES-Aufgaben ist bereits in der VDI-Richtlinie 5600 verankert und
auch das VDMA-Einheitsblatt 66412 für MES-Kennzahlen baut auf eine konsequen-
te Datenerfassung im Shopfloor. Hieraus leite ich die Behauptung ab, dass ab einer
bestimmten Größe jedes Fertigungsunternehmen ein MES braucht,
um effizient produzieren zu können. Gleichzeitig treiben MES die
Digitalisierung voran und sorgen so für eine drastische Reduzierung
von Medienbrüchen. Der Traum von der papierlosen Fabrik rückt mit
MES in greifbare Nähe – und das steht keineswegs im Widerspruch
zu „Lean“.
Das Credo der Lean Manufacturing Fraktion heißt nämlich nicht
“keine IT in der Fertigung” sondern “keine unnötige Komplexität
in der Fertigung”. MES unterstützten dabei, die wachsende Kom-
plexität zu beherrschen – insbesondere mit Blick auf Industrie 4.0.
Ab einem gewissen Punkt fordern Lean-Methoden Transparenz, die
nur ein Manufacturing Execution System bieten kann. Zudem sind
Lean und MES gleichermaßen „Enabler“ für Industrie 4.0. Eine sich
selbstregelnde Fabrik wird weder ohne das Eine noch das Andere
funktionieren. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, Industrie 4.0 bringt
MES und „Lean“ noch weiter zusammen. Und so ist kaum verwunderlich, dass sowohl
Lean-Berater als auch MES-Anbieter vom mittlerweile etablierten Hype „Industrie
4.0“ profitieren.
Aber lassen Sie sich von diesem Hype nicht blenden! Fokussieren Sie sich auf Sie Ihre
eigene Produktion und richten Sie Investitionen in innovative Technologien an den
Bedürfnissen Ihrer Prozesse und Mitarbeiter aus.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Ihr Jürgen Kletti
Geschäftsführender Gesellschafter der MPDV Mikrolab GmbH
„Hieraus leite ich die Be-
hauptung ab, dass ab einer
bestimmten Größe jedes
Fertigungsunternehmen ein
MES braucht, um effizient
produzieren zu können.“
MES – mehr
als nur Software!Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kletti, Geschäftsführer, MPDV Mikrolab GmbH
13. 13
Thema
Competence Book - MES
Prof. Dr.-Ing Jürgen Kletti, Jahrgang 1948, ist Gesell-
schafter und Geschäftsführer der MPDV Mikrolab GmbH,
die er 1977 nach seinem Elektrotechnik-Studium mit
dem Spezialfach „Technische Datenverarbeitung“ und
der Promotion an der Universität Karlsruhe gründete.
Prof. Kletti ist Mitglied in verschiedenen Fachgremien.Als
Vorsitzender des VDI-Arbeitskreises MES ist er maßgeb-
lich an der Gestaltung der VDI-Richtlinie 5600 beteiligt
und im Jahr 2005 gründete er den MES-D.A.CH Ver-
band, dem er viele Jahre lang vorstand. Zudem ist Prof.
Kletti Autor zahlreicher Fachbücher und Fachpublikatio-
nen in der Produktions- und IT-Fachpresse.
Mit 40 Jahren Erfahrung im Fertigungsumfeld zählt
die MPDV Mikrolab GmbH nicht nur zu den führenden
Lösungsanbietern von Manufacturing Execution Sys-
temen (MES) sondern gilt auch als Vorreiter bei der
Verbreitung des MES-Gedankens und engagiert sich in
Fachverbänden wie z.B. VDI, VDMA, MESA und MES-
D.A.CH. Darüber hinaus wurde MPDV wiederholt als
TOP100-Unternehmen ausgezeichnet und zählt somit
zu den innovativsten Mittelständlern Deutschlands.
Jürgen Kletti
14. 14
Competence Book - MES
Zukunftsbild Burkhard Röhrig
Industrie 4.0 ist noch lange keine abgeschlossene Realität. Die Auswirkungen von
Industrie 4.0 werden bestimmt revolutionär sein. Die Einführung und Umsetzung
werden jedoch evolutionär erfolgen, sowie sich andere Technologi-
en in der Vergangenheit auch sukzessive durchgesetzt haben. Bis
die klugen Ideen der technischen Vordenker realisiert werden kön-
nen, bleibt also noch viel zu tun.
Eines ist jetzt schon klar: Ohne Software ist Industrie 4.0 nicht
möglich. Schließlich sollen sämtliche am Produktionsprozess be-
teiligten Komponenten sowie der Mensch miteinander vernetzt
werden. Kommunikation und damit Information werden zu noch
wichtigeren Produktionsfaktoren als bisher.
Als ein Beispiel für Software, die Industrie 4.0 quasi wegbereitend
voranbringt, sind sicherlich Manufacturing Execution Systeme zu
benennen. MES bilden die zentrale Instanz zur Koordinierung und
Synchronisation, die bei aller Dezentralität, die Teil des Indust-
rie 4.0-Konzepts ist, weiterhin notwendig sein wird. Schon heute
bieten MES synergetisch die Unterstützung der Produktionssteue-
rung, die notwendig ist, um in der Produktion die geforderte Flexi-
bilität sicherzustellen.
Auch die Politik muss noch tätig werden. So hat die Bundesregierung mit dem IT-Si-
cherheitsgesetz zwar beschlossen, dass die IT-Systeme und digitalen Infrastrukturen
Deutschlands zu den sichersten weltweit werden sollen – von der Realisierung sind
wir jedoch noch ein gutes Stück entfernt.
Industrie 4.0:
Es ist noch viel zu tun
„Eines ist jetzt schon klar:
Ohne Software ist
Industrie 4.0 nicht möglich.
Schließlich sollen sämtliche
am Produktionsprozess
beteiligten Komponenten
sowie der Mensch
miteinander vernetzt
werden.“
Burkhard Röhrig, Geschäftsführer, GFOS mbH
15. 15
Thema
Competence Book - MES
GFOS/CatrinMoritz
Burkhard Röhrig
Zu Beginn des Jahres 1988 gründete Burkhard
Röhrig die GFOS mbH, die er bis heute als ge-
schäftsführender Mehrheitsgesellschafter leitet.
Die GFOS zählt zu den Pionieren der Anwen-
dungsentwicklung und -integration in den Berei-
chen Personalzeitwirtschaft, Personaleinsatzpla-
nung, Zutrittskontrolle, Betriebsdatenerfassung
und Produktionssteuerung. Bei weit über 3.000
Installationen, davon mehr als 440 im Ausland,
visualisiert, kontrolliert und steuert GFOS alle
Unternehmens-Ressourcen entlang der Wert-
schöpfungskette. Seit ihrer Gründung wächst die
GFOS kontinuierlich 2-stellig und zählt zu den
führenden Anbietern in diesem Markt.
16. 16
Competence Book - MES
Zukunftsbild Burkhard Röhrig
Für Industrie 4.0 wird es jedoch unerlässlich sein, tragfähige Sicherheitskonzepte
zu entwickeln. Wir brauchen unbedingt verlässliche Verschlüsselungstechniken und
weitere Schutzmechanismen, denn das Fertigungs-KnowHow der jeweiligen Betriebe
bildet in der Regel die Existenzgrundlage eines Unternehmens. Damit sind sämtliche
Fertigungsinformationen als besonders schutzbedürftig einzustufen. Z. B. sind in der
Prozessindustrie zur Laufzeit IST-Rezepturen auf den Maschinen/Anlagen abrufbar.
Deshalb muss der Aufwand, Datenmissbrauch zu betreiben so hoch sein, dass dieser
sich nicht lohnt.
Hinzu kommt, dass das Internet von heute für Vorhaben wie Industrie 4.0 noch viel
zu langsam ist. Zwar hat die Bundesregierung mit ihrer Breitbandstrategie erkannt,
dass die flächendeckende Versorgung unseres Landes mit leistungsfähigen Breitban-
danschlüssen und der Aufbau von Hochleistungsnetzen wichtige Vo-
raussetzungen für wirtschaftliches Wachstum, mehr Beschäftigung
und steigenden Wohlstand sind. Allerdings würden die in diesem
Kontext zu erwartenden Datenmengen alle derzeitigen bekannten
Kapazitäten sprengen.
Auch der Bereich HR steht vor neuen Herausforderungen: Kernauf-
gabe der modernen Personalabteilung wird die Überführung der
Beschäftigten in die Arbeitswelt von morgen sein – und hier geht
es in erster Linie um den Bereich der Aus- und Weiterbildung. Von
vielen Beschäftigten wird in absehbarer Zeit ein weitaus größeres
Verständnis für Technik und IT vonnöten sein als bisher. Daher wer-
den passgenaue Bildungskonzepte notwendig sein. Die Menschen
müssen sich analog der Technik weiterentwickeln. Das Bundesmi-
nisterium für Arbeit und Soziales verwendet in diesem Zusammen-
hang den Begriff Arbeiten 4.0 und betreibt die Website www.arbeitenviernull.de.
Diese Initiative ist absolut sinnvoll. Allerdings betrachtet Arbeiten bzw. Arbeit 4.0
die Arbeit an sich häufig isoliert, wo doch eigentlich eine ganzheitliche Sicht benötigt
wird. Schließlich geht es um eine Win-Win-Situation zwischen Arbeitnehmer- und
Unternehmenssicht. Daher sprechen wir von GFOS lieber von Industrie 4.0 Human.
„Von vielen Beschäftigten
wird in absehbarer Zeit
ein weitaus größeres
Verständnis für Technik
und IT vonnöten sein
als bisher.“
17. 17
Competence Book - MES
Zukunftsbild Andreas Kirsch
Was hat eigentlich
Industrie 4.0mit einer Pralinenschachtel zu tun?!
Als Manufacturing Execution Systems-Hersteller werden wir von unseren Kun-
den immer häufiger um Rat gebeten, wenn es um den Weg zur richtigen Industrie
4.0-Strategie geht.
In vielen Einzelgesprächen und Expertenrunden haben wir nach einer Möglichkeit
gesucht, so einfach und gleichzeitig wirksam wie möglich zu erklären, was Industrie
4.0 eigentlich wirklich ist und worauf Industriebetriebe bei der Strategieformulie-
rung und Partnersuche dringend achten sollten.
Life is a box of chocolate ...
... you never know, what you gonna get.
Was Forrest Gump über das Leben wusste, hilft auch uns bei der Beantwortung der
Frage, wie sich ein Unternehmen den Möglichkeiten von Industrie 4.0 nähern sollte.
... und 4.0 ein Allerlei!
Bleiben wir beim Sinnbild der Pralinenschachtel, empfiehlt es sich, zunächst die
„Konditoren“ unter die Lupe zu nehmen, die Industrie 4.0 verkaufen wollen. Dazu
gehören Software-Hersteller aus den Bereichen ERP, MES und PLM, aber auch Ma-
schinenbauer und Automatisierter sowie Verbände und Institute.
Jeder Konditor verfolgt dabei ganz eigene Ziele, setzt individuelle Entwicklungsstan-
dards ein und nutzt unterschiedliche Zutaten zur Pralinenherstellung - von Cloud,
Big Data und virtualisierten Systemen über Tablets, Smartphones und Smart Objects
bis hin zu diversen Netzwerktechnologien.
Auf diese Weise entsteht ein äußerst heterogenes - teilweise inkompatibles - Allerlei
an Industrie 4.0-Services. Natürlich wird jeder Konditor seine Pralinen als optimale
Lösung anpreisen, was auch stimmen mag, aber sicherlich nicht immer und für jeden
Pralinenkäufer.
Pralinentester nicht immer hilfreich!
Gut, dass es unabhängige Pralinen-Tester gibt. Die „Pralinen-Tester“ sind ebenfalls
bunt gemischt und qualifizieren sich für ihre Aufgabe als Bewerter nicht zwingender
Weise durch Fachkompetenz. Dazu gehören im Allgemeinen Institute und Organisa-
tionen, aber auch Politik, Gewerkschaften, Juristen, Datenschützer und Journalisten.
Andreas Kirsch, Vorstandsmitglied, GUARDUS Solutions AG
18. 18
Competence Book - MES
Zukunftsbild Andreas Kirsch
Ganz zum Schluss kommen erst die avisierten Pralinenkäufer, also die Industriebe-
triebe, welche die feilgebotenen Süßwaren genießen sollen. Diese stehen nun vor der
Herausforderung, aus dem mittlerweile sehr großen Angebot an Services die passen-
den herauszufinden - ohne Detailwissen darüber, was sich tatsächlich in der Praline
befindet. Schließlich kann man dem Schoko-Konfekt nicht von außen ansehen, was
für eine Füllung in ihm steckt, wie sie für den einzelnen Betrieb wirklich schmeckt
und ob sie auch bekömmlich ist.
Was wäre wenn ...
Gäbe es einen standardisierten Leitfaden für die Auswahl und Be-
wertung von 4.0-Angeboten, würde er wohl mit einer scheinbar ein-
fachen Frage beginnen:
„Was habe ich mit meiner Produktionsorganisation eigentlich in Zu-
kunft vor?
Diese Frage klingt vielleicht im ersten Moment völlig banal. Doch
es ist eine Tatsache, dass viele Unternehmen darauf gar keine gute
Antwort haben, bevor sie sich auf das Abenteuer 4.0 einlassen.
Erst wenn ich eine klare Vorstellung entwickle, was mich persönlich
antreibt und wohin mein unternehmerischer Weg geht, kann ich die
richtigen Werkzeuge wählen. Darauf aufbauend wäre es im Folge-
schritt ein Leichtes, die folgenden (konstruktiv-kritischen) Fragen
zu beantworten, beziehungsweise zu bewerten:
• Woraus genau besteht der Industrie 4.0-Lösungsansatz, der mich interessiert?
• Welchen konkreten Nutzen bringt er?
• Wie gut passt er zu unserer Strategie?
• Auf welche Weise greift das Angebot in meine betrieblichen Abläufe ein -
zum Beispiel hinsichtlich veränderter Arbeitsweisen, Zuständigkeiten oder
Entscheidungswege und -geschwindigkeiten?
• Welche technologischen Standards hat der Hersteller zugrunde gelegt?
• Was kostet das Angebot in Beschaffung, Change-Management und Betrieb?
• Welches unternehmerische Risiko birgt das Angebot hinsichtlich Datenschutz,
Prozesssicherheit und -stabilität?
• Wie kann ich mich Schritt für Schritt in die richtige Richtung entwickeln,
ohne Gefahr zu laufen den Anschluss zu verlieren oder gar zu scheitern?
Stellt man sich also die richtigen Fragen, ist der Weg zur unternehmenseignen Indus-
trie 4.0-Marschroute gar nicht so schwer. Selbstverständlich helfen Anbieter wie wir
auch in Zukunft tatkräftig mit, wenn es um die Beantwortung individueller Industrie
4.0-Belange geht.
Industrie 4.0 ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, um im Rahmen der eige-
nen Strategie die vorhandenen Strukturen, Services und Prozesse zu optimieren und
zu verändern, um noch besser Kundenbedürfnisse zu befriedigen.
Das sollte man nicht vergessen und sich auch nichts anderes einreden lassen. Nur
wenn man sich die richtigen Pralinen aus der Schachtel heraussucht, wird die Prali-
nenschachtel zu einem individuellen Genuss.
„Industrie 4.0 ist kein
Selbstzweck, sondern ein
Werkzeug, um im Rahmen
der eigenen Strategie die
vorhandenen Strukturen,
Services und Prozesse
zu optimieren und zu
verändern, [...]“
19. 19
Thema
Competence Book - MES
Andreas Kirsch ist seit Mitte 2006 Vorstandsmitglied
der GUARDUS Solutions AG.
Im April 2007 initiierte Andreas Kirsch die Gründung
des etablierten DIN Arbeitskreises für MES, der un-
ter seiner Leitung die VDMA 66412 Einheitsblätter
erarbeitet hat. Darüber hinaus leitet Andreas Kirsch
die internationale Working Group im Rahmen der
ISO Standardisierung von Manufacturing Operation
Management kurz MOM. Ein Ergebnis der Arbeits-
gruppe ist die ISO 22400 mit der das erste Mal
Produktionskennzahlen für die Fertigungsindustrie
international anerkannt standardisiert wurden. Durch
seine Mitgliedschaften in verschiedenen Standardi-
sierungsgremien ist Andreas Kirsch darüber hinaus
auch stark in das aktuelle Thema Industrie 4.0
involviert.
Andreas Kirsch
20. 20
Competence Book - MES
Zukunftsbild Karl M. Tröger
MES für die
nächste
Generation?!
Karl Trögers Visionen für die
nächsten zwei bis drei Jahre
Karl M. Tröger, Business Development Manager bei PSI Automotive & Industry
Sehr geehrte Leser,
das Competence Site-Team hat mich gebeten, im Rahmen eines Competence Reports
über das MES (und ERP-System) der nächsten Generation nachzudenken. Gesagt,
getan! Und was läge näher als gleich mein Grußwort dafür zu nutzen? Alle zwei Jah-
re bin ich diesbezüglich gefordert, insofern kann ich nicht einfach losphantasieren.
Spätestens in zwei Jahren muss ich dann nämlich meinen Prognosen bzw. meinem
zwei Jahre jüngeren Ich ins Auge schauen. Wer hier auskunftsfreudig sein will, muss
aber vor allem eines können: Die Besonderheiten der neuen bzw. sich bereits abzeich-
nenden Produktionslogik verstehen. Durch IoT und Industrie 4.0, aber auch durch
die Anforderungen des Marktes befindet sich einiges im Wandel. Schauen wir uns
diese neue Wirklichkeit genauer an:
21. 21
Competence Book - MES
Zukunftsbild Karl M. Tröger
• Die Auflösung bestehender fester Produktionssysteme (wie bei Audi in Diskussi-
on), im Sinne einer Schwarmfertigung in Netzwerk-Strukturen, ist Realität und
sorgt für neue Fluiditäts-Fähigkeiten und damit für völlig andere Möglichkeiten
der Produktionsabwicklung.
• Durchgehende digitale Zwillinge dienen dabei als Abbild der aktuellen und zu-
künftigen Anlagenkonfiguration und den dazugehörigen Auftragssituationen -
im Zeitverlauf mit allen auftrags-, anlagen- oder auch produktbezogenen Infor-
mationen. Sie vereinfachen Simulationen und Reihenfolgebildung.
• Die umfassende Integration/Nutzung des Klassikers RFID, aber
auch moderner IoT-Lösungen zur Produktionssteuerung und
Basissysteme wie RTLS (real time location systems) zur Feststel-
lung des Übergangs von Material, Werkzeugen, Menschen in den
nächsten Produktionsschritt, Lager, zur Bereitstellung oder Liefe-
rung schaffen die Informationsvoraussetzungen.
• Eine ereignisgesteuerte Produktion an Stelle fester Algorithmen,
Steuerungs- und Planungstools dockt an die Fluidität der Struktu-
ren auf Systemebene an und sorgt so für eine agilere und reagible-
re Planung und Steuerung.
• Klassische MES-Konzepte werden neu gedacht und zukunftsfähig
ausgerichtet. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für ein An-
docken an die zukünftigen Plattformen.
• Selbstlernende Systeme und moderne Ansätze wie Visual Com-
puting erleichtern das Erkennen von Zusammenhängen in der
Datenbasis und erlauben neue Formen der Entscheidungsunter-
stützung oder sogar die automatisierte Initiierung notwendiger
Aktivitäten.
• Die Entdeckung des Menschen wird nicht mehr nur von Professor
Syska und anderen gefordert, sondern ist im Mainstream ange-
kommen. Bessere Visualisierungen, neue Nutzungskonzepte, In-
dividualisierung und eine größere Autonomie und Selbstorganisa-
tion – „New Work“ ist in der Produktion vielleicht noch radikaler
als im administrativen Bereich.
Sie erinnern sich vielleicht noch an meinen Beitrag „Menschen, Ma-
schinen und Software“ von vor fast drei Jahren. Die Produktion und damit auch die
Produktionssteuerung, aber auch das Engineering der Produkte wandeln sich funda-
mental jenseits der alten Logik und vieles von dem damals Geschriebenen hat sich
mittlerweile bewahrheitet.
Das Engineering war damals jedoch noch ein schwarzer Fleck. Es wird sich in Zu-
kunft nicht mehr nur auf geometrische und andere Produkteigenschaften beschrän-
ken, sondern gleichzeitig auch die notwendigen Konfigurationsinformationen für
die Einstellung der Anlage liefern. Natürlich gilt es diese Konzepte jetzt nicht nur
plattform-, produktions- und mitarbeiterorientiert, sondern auch kundenorientiert
auszurichten. Für ein Neudenken der Produkte, Services und Geschäftsmodelle wird
die Basis immer besser, jetzt gilt es anzufangen. Lassen Sie uns gerne darüber reden!
Ihr Karl M. Tröger, Business Development Manager
bei PSI Automotive & Industry, für das Team der Competence Site
„Das Engineering [...]
wird sich in Zukunft
nicht mehr nur auf
geometrische und andere
Produkteigenschaften
beschränken, sondern
gleichzeitig auch
die notwendigen
Konfigurationsinformationen
für die Einstellung der
Anlage liefern.“
22. 22
Competence Book - MES
Zukunftsbild Karl M. Tröger
Karl M. Tröger
Karl M. Tröger, Head of Product Management,
verantwortet die strategische Ausrichtung des Pro-
duktportfolios bei der PSI Automotive & Industry
GmbH.
Auf Basis seiner nationalen und internationalen Sta-
tionen in der Fertigungsindustrie, stellt er heute das
Bindeglied zwischen Kunden, Markt, Wissenschaft
und dem Software-Engineering dar.
Seine Erfahrungen sammelte er als Senior Product
Engineer bei einem kanadisch-israelischen Kon-
zern, als IT-Projektleiter sowie später als Leiter der
Produktentwicklung für ERP-Lösungen innerhalb
der PSI Automotive & Industry GmbH.
23. 23
Competence Book - MES
Infografiken
Digitalisierung der Produktion - MES als Basis für Transparenz in den
Produktionsprozessen und Grundlage für Industrie 4.0
24. 24
Competence Book - MES
Infografik
Markt
49 %
12 %
3 %
Nutzen Sie aktuell ein Manufacturing Execution System in Ihrem Unternehmen?
Wie stark sind MES-Systeme verbreitet?
Ja, standortübergreifend
Metallerzeugung & -bearbeitung
Ja, lokal an einzelnen Standorten
Maschinenbau & Anlagenbau
Nein
Fahrzeugbau & Zuliefererindustrie
Weiß ich nicht
Bauwirtschaft
87 %
86 %
36 %
Aus dem RED PAPER: Digitalisierung der Produktion von BearingPoint
Aus dem Marktspiegel MES-Softwaresteuerung von 2015/2016 herausgegeben von Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Trovarit AG
25. 25
Competence Book - MES
Infografik
Trends
47 %
5%
3 %
1 %
3 %
Wie schätzen Sie die allgemeine Relevanz von MES in produzierenden Unternehmen zukünftig ein?
Welche Unternehmen sind die Zielgruppe von MES-Lösungen in Abhängigkeit der Mitarbeiterzahl?
Stark zunehmend
100 - 499
Tendenziell zunehmend
Gleichbleibend
Tendenziell abnehmend
Stark abnehmend
Weiß ich nicht / keine Angabe
über 1000
50 - 99
1 - 19
71%
35 %
91 %
Aus dem RED PAPER: Digitalisierung der Produktion von BearingPoint
Aus dem Marktspiegel MES-Softwaresteuerung von 2015/2016 herausgegeben von Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Trovarit AG
26. 26
Competence Book - MES
Infografik
Investitionen
Planen Sie in Ihrem Unternehmen in den nächsten 3 Jahren eine Investition in MES?
Welche MES-Lösung würden Sie am ehesten kaufen?
Ja, Neuinvestition
MES-Lösungen von selb-
ständigen, global agierenden
und branchenübergreifenden
reinen MES-Anbietern
Ja, Ersatzinvestition
Ja, Erweiterungsinvestition
Nein
Weiß ich nicht / keine Angabe
Branchenspezifische MES-Lösungen
von globalen Nischenanbietern
Um MES-Funktionalitäten erweiterte
ERP-Lösungen
Lokal angebotene Lösungen von MES-
Anbietern mit spezifischem Know-how
Separate MES-Lösungen aus dem
Produktbaukasten eines global agierenden
Softwarekonzerns, dessen Software
bereits im Einsatz ist
11 %
50%
10 %
17 %
13 %
11%
10 %
5 %
Aus dem RED PAPER: Digitalisierung der Produktion von BearingPoint
Aus dem RED PAPER: Digitalisierung der Produktion von BearingPoint
30. 30
Competence Book - MES
Roundtable - MES
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
„Digitalisierung“, „IoT“, „CPS“ und „Industrie 4.0“ gelten als die Zu-
kunftsperspektiven für die Produktion. Klar ist auch, dass neue Tech-
nologien einen Wandel induzieren. Ansonsten ist vor allem sehr viel
unklar. Dabei werden die Veränderungen massiv sein. Relevante Fra-
gen sind hierbei u.a.
• Wie sehen die neuen Produktionsparadigmen aus?
• Welche Arbeitsteilung zwischen MES, ERP und Shop Floor zeich-
net sich ab?
• Welche Architektur, welche Sourcing-Strategien sind heute / mor-
gen sinnvoll? Gilt Integration oder Kollaboration als Erfolgsmuster?
• Welche weiteren Zukunftsentwicklungen werden durch IoT & Co
angestoßen?
• #NextAct: Was sind die nächsten Schritte für Fertigungsunterneh-
men?
Es freut uns, dass wir wieder das Who-Is-Who der MES-Branche für
diesen Austausch zur Zukunft der Produktion gewinnen konnten.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Team der Competence Site
32. 32
Competence Book - MES
Roundtable - Neues Paradigma
Neues Paradigma
im Zeitalter von Digital,
Industrie 4.0 …
„Digitalisierung“, „IoT“, „CPS“ und „Industrie 4.0“ gelten als die Zu-
kunftsperspektiven für die Produktion. Klar ist auch, dass neue Tech-
nologien einen Wandel induzieren. Ansonsten ist vor allem sehr viel
unklar.
Inwieweit sind heutige Paradigmen der Fertigungsindustrie mit Blick
auf Industrie 4.0 noch gültig/anwendbar? Insbesondere soll sich die
klassische Automatisierungspyramide auflösen. Aber wo sind die
neuen Grenzen und wie ist die neue Arbeitsteilung zwischen Manage-
ment und Shopfloor bzw. „ERP“, „MES“ und „Shopfloor“?
35. 35
Competence Book - MES
Roundtable - Neues Paradigma
Neues
Paradigma
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kletti
Wie bereits von vielen Experten und in zahlreichen Fachmedien genannt, wird sich
Industrie 4.0 eher als Evolution manifestieren. Daher wird auch der Paradigmen-
wechsel eher schrittweise als sprunghaft stattfinden. Im Wesentlichen werden sich
die bereits heute angestrebten Ziele noch weiter herauskristallisieren. Damit meine
ich vor allem die Effizienz und die Flexibiltät der Produktionssysteme. Denn nur so
können diese auch langfristig wirtschaftlich und wettbewerbsfähig bleiben. Mit die-
sem Paradigmenwechsel wird auch eine Veränderung der klassischen Automatisie-
rungspyramide einhergehen – eine komplette Auflösung wird meiner Meinung nach
nicht stattfinden.
Die Grenzen zwischen ERP, MES und Shopfloor werden damit fließender und in vie-
len Fällen auch abhängig vom konkreten Anwendungsfall bzw. von der Branche sein.
Wir beobachten momentan eine Bewegung weg vom Denken in Systemen hin zu ei-
ner allgemeinen Rollenorientierung. Das bedeutet, dass die Trennung von Aufgaben
und Funktionen sich immer mehr daran orientieren wird, welche Ziele und Stell-
größen im Fokus stehen. Ein Beispiel: Der Bestellvorgang eines Kunden wird auch
weiterhin in den Verantwortungsbereich eines ERP-Systems fallen, da damit erst
einmal nur die Verschiebung von Wirtschaftsgütern verbunden ist. Die Herstellung
des zu verkaufenden Wirtschaftsgutes wird von einem MES-System gesteuert und im
Shopfloor – also auf der Ebene des eigentlichen Produktionsprozesses – wird das MES
die Interaktion der Maschinen synchronisieren. Dafür erfasst es Echtzeitdaten und
aktualisiert damit kontinuierlich den vorgesehenen Zeitplan. Ich bin mir sicher, dass
es auch mittelfristig gesehen noch alle drei Ebenen der Automatisierungspyramide
geben wird – allerdings mit deutlich unschärferen Grenzen.
„Die Grenzen zwischen ERP, MES und Shopfloor
werden damit fließender und in vielen Fällen auch
abhängig vom konkreten Anwendungsfall
bzw. von der Branche sein.“
Jürgen Kletti
36. 36
Competence Book - MES
Roundtable - Neues Paradigma
Andreas Kirsch
Zunächst einmal wird die sogenannte Automatisierungspyramide, die aus dem inter-
nationalen Standard IEC 62264 erwachsen ist, sich nicht auflösen. Ganz im Gegenteil
dadurch, dass die IEC 62264 ein wichtiger Bestandteil im Referenzmodell für Indust-
rie 4.0 RAMI ist, wird diese erst noch richtig an Bedeutung gewinnen. Die Zuordnung
von einzelnen Funktionen auf ERP, MES oder SCADA Ebene war bezogen auf die an-
gewandeten Produktionsmethodologien schon immer in verschiedenen Ausprägun-
gen am Markt vorhanden und damit waren auch die Grenzen nie für alle Industrien
in Beton gegossen.
Was aber durchaus zu einer Veränderung der Grenzen führt, ist die Tatsache, dass
durch neue Technologien die Pyramide nun um weitere Elemente ergänzt wird und
die vernetzte Integration als zusätzliche Komponente zu der horizontalen und verti-
kalen Integration hinzukommt.
Neues
Paradigma
„[...] dadurch, dass die IEC 62264 ein wichtiger
Bestandteil im Referenzmodell
für Industrie 4.0 RAMI ist, wird diese
erst noch richtig an Bedeutung gewinnen.“
Andreas Kirsch
37. 37
Competence Book - MES
Roundtable - Neues Paradigma
Franz Eduard Gruber
Das frühe Wort von Bill Gates, „das Internet verändert alles“, ist heute zu einem
Paradigma geworden, dass eskalierend gültig bleiben wird. Das trifft insbesondere
auch für die Fertigungsindustrie zu. Sie hat im Vergleich zum Vernetzungsniveau im
Consumer-Bereich mit Smartphones und Tablets einen Nachholbedarf. Das demons-
trieren uns die Internetgiganten Amazon, Google, Facebook, Twitter, Whatsapp, You-
tube und viele andere jeden Tag.
Überwunden werden wird in der Fertigungsindustrie das bisherige Paradigma einer
Automatisierungspyramide mit ERP, MES und Automation. Es wird im Zuge der In-
dustrie 4.0 abgelöst durch die Autonomisierung von Anlagen, Teilen und Produkten.
Gleichzeitig lösen sich die Grenzen von Top und Shop Floor auf.
FORCAM geht im Zuge der Autonomisierung von einer Subsidiarisierung aus: Die
Verantwortung wird an den Ort des Geschehens verlagert. Gehen Sie davon aus, dass
in Zukunft das intelligente Produkt weiß, an welcher Anlage es mit welchen Betriebs-
mitteln wie gefertigt werden soll. Und die Anlage weiß, wann das fertige Produkt
einwandfrei ausgeliefert werden kann.
Mehr Intelligenz bei Maschinen, Betriebsmitteln und Produkten bedeutet, dass die
bisher vertikalen IT-Strukturen zum Teil vollständig aufgelöst werden und eine Kom-
ponentisierung stattfinden wird. Das bedeutet das Ende des MES, wie es seit zehn
Jahren im Einsatz ist. Industrie 4.0 gibt es nur mit einer neuen IT-Generation 4.0.
Neues
Paradigma
„Mehr Intelligenz bei Maschinen, Betriebsmitteln und
Produkten bedeutet, dass die bisher vertikalen
IT-Strukturen zum Teil vollständig aufgelöst werden
und eine Komponentisierung stattfinden wird.
Franz Eduard Gruber
38. 38
Competence Book - MES
Roundtable - Architektur und Sourcing
Architektur und
Sourcing
für #NextMES
Durch den Wandel der Paradigmen stellt sich auch die Frage der
Architektur und des Sourcing neu. Integrierte Gesamtsysteme und
Single Sourcing / Single Vendor versus vernetzte Systeme und
Best-of-Breed-Philosophie stehen sich gegenüber. Hier scheinen kol-
laborative Systeme / Plattformen die Lösungen für die Zukunft zu sein.
Hat sich aus Ihrer Sicht wirklich die Entscheidungsbasis für Fragen
zu Architektur und Sourcing geändert? Was würden Sie Unterneh-
men raten, um zukunftsfähig zu sein? Wovon sind gegebenenfalls
Entscheidungen für die eine oder die andere Alternative abhängig?
Wo macht ein integriertes System Sinn, wo rechtfertigt der funktiona-
le Vorteil von Best-of-Breed den Integrationsaufwand durch Schnitt-
stellen etc.? Wie sehen die idealen Szenarien für die horizontale und
vertikale Integration aus?
39. 39
Competence Book - MES
Roundtable - Architektur und Sourcing
„Systeme, die sich im Internet der Dienste und
Dinge präsentieren wollen, müssen zwangsläufig
über hochentwickelte und standardisierte
Kommunikationstechnologien verfügen [...].“
„Mein Szenario 2020: Anwender können in
herstellerübergreifenden Online-Bibliotheken
Funktionsbausteine finden, bewerten, testen
und reibungslos montieren.“
„Wichtig für die Zukunft wird es für den Anwender
sein, in Softwaresysteme zu investieren, die es
erlauben sich schnell auf Prozessveränderungen
einzurichten.“
Karl M. Tröger
Franz Eduard Gruber
Andreas Kirsch
Architektur
und Sourcing
40. 40
Competence Book - MES
Roundtable - Architektur und Sourcing
Andreas Kirsch
Die Entscheidungsbasis hat sich dahin gehend geändert, dass MES mittlerweile eine
mehr strategische Bedeutung bekommen hat und nicht mehr ein reines IT Projekt
des Bereichs Produktion ist. Dies sehen wir als GUARDUS sehr positiv.
Wichtig für die Zukunft wird es für den Anwender sein, in Softwaresysteme zu in-
vestieren, die es erlauben sich schnell auf Prozessveränderungen einzurichten. Dazu
gehört eine höhere Flexibilität und auch die Möglichkeit neue Technologien schneller
einzubinden und an die Arbeitsprozesse zu adaptieren. Die größte Herausforderung
für die Anwender wird es sein keine klassischen Anforderungskataloge mehr zur Sys-
temauswahl zu erstellen, da diese viel zu starr und eher eine Momentaufnahme zum
Zeitpunkt des Auswahlprozesses darstellen als mehr dazu überzugehen sich Lösun-
gen in ihrer Gesamtheit (integrativ, Best of Breed, Kollaboration, etc.) anbieten zu
lassen. Dazu zählt auch Architektur, funktionale Inhalte, Schnittstellen, Zukunftsfä-
higkeit und Wandlungsfähigkeit. Ausschreibungen, die zu viel im Detail funktional
vorgeben schränken den Open Mind ein und verhindern dadurch manchmal innova-
tive Lösungen zu berücksichtigen.
Architektur
und Sourcing
„Wichtig für die Zukunft wird es für den Anwender
sein, in Softwaresysteme zu investieren, die es
erlauben sich schnell auf Prozessveränderungen
einzurichten.“
Andreas Kirsch
41. 41
Competence Book - MES
Roundtable - Architektur und Sourcing
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kletti
Entscheidend für die Auswahl eines Systems ist immer die kon-
krete Anforderung der Anwendung – eine pauschale Aussage ist
hier kaum möglich. Was man generell sagen kann: Es lohnt sich
in den meisten Fällen, einen Vergleich der Kernkompetenzen so-
wohl des Anbieters als auch des Systems anzustellen. Denn in den wenigsten Fällen
kann ein System alle Sichten auf einen Prozess abdecken. Am besten zeigt sich das
bei der Betrachtung der Produktion.
Ein ERP wird hier sehen, dass Material in den Prozess hineinfließt und ein fertiges
Produkt am Ende herauskommt. Dabei werden bestimmte Ressourcen genutzt und
andere verbraucht. Das ERP bewertet diese Vorgänge monetär, um daraus einen Preis
für den Kunden zu berechnen.
Ein MES sieht den gleichen Prozess mit einer anderen Brille und wesentlich detail-
lierter: Eine bzw. mehrere Maschinen müssen reserviert werden, um das beigestell-
te Material in mehreren Schritten zu einem fertigen Produkt zu verarbeiten. Dabei
kommen unterschiedliche Werkzeuge und Hilfsmittel zum Einsatz, die ebenfalls ge-
plant werden müssen. Während der Produktion treten Störungen auf, die Einfluss
auf den Gesamtablauf nehmen – ggf. muss der Prozess umgeplant werden. Auch die
Qualität des hergestellten Produkts bzw. der Zwischenfabrikate ist für das MES rele-
vant und ausschlaggebend für die kontinuierliche Optimierung. Zusätzlich sind die
Belange der Mitarbeiter von Relevanz und fließen über die Personaleinsatzplanung
in die Auftragsfeinplanung und Fertigungssteuerung ein.
Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass Schnittstellen immer dort sinnvoll sind, wo
die Kernkompetenz eines Systems endet und die eines anderen beginnt. In der Regel
sind solche Übergabepunkte auch daran zu erkennen, dass nur wenige und stark ver-
dichtete Daten übertragen werden müssen. Innerhalb eines Systems ist die Vernet-
zung und damit gemeinsame Nutzung von Daten eine wichtige Voraussetzung für die
Effizienz der Anwendung (Horizontale Integration). Auch dazu ein Beispiel:
Die Berechnung von Leistungslohn sollte einerseits im MES erfolgen, da hier alle
Daten über die geleistete Arbeit und die Beteiligung der jeweiligen Mitarbeiter se-
kundengenau erfasst wird. Andererseits kann das MES nur Faktoren berechnen, aus
denen ein Lohnabrechnungssystem dann den konkreten Geldbetrag ableitet, den der
jeweilige Mitarbeiter bekommt. Kurz gesagt erfasst, berechnet und verdichtet das
MES Daten, die über eine Schnittstelle zur monetären Bewertung übergeben werden.
An dieser Stelle macht es Sinn, zwei vernetzte Systeme einzusetzen. Die Abspaltung
der Leistungslohnermittlung von der Betriebs- und Maschinendatenerfassung im
MES macht keinen Sinn, da in diesem Fall die zu übertragende Datenmenge gigan-
tisch wäre.
Ebenso verhält es sich bei der vertikalen Integration, also bei der Vernetzung von
ERP, MES und Shopfloor. Schnittstellen sind wichtig und sollten an den Stellen imple-
mentiert werden, an denen die zu übergebenden Daten maximal verdichtet werden
können. Daraus ergibt sich per Definition die Empfehlung, erst einmal die eigenen
Prozesse zu analysieren und dabei festzustellen, welche Daten und Informationen
erfasst, verdichtet, übergeben und ausgewertet werden. Daraus ergeben sich dann
auch sinnvolle Systemgrenzen.
Architektur
und Sourcing
„Unsere Erfahrungen haben
gezeigt, dass Schnittstellen
immer dort sinnvoll sind,
wo die Kernkompetenz eines
Systems endet und die eines
anderen beginnt. In der Regel
sind solche Übergabepunkte
auch daran zu erkennen,
dass nur wenige und stark
verdichtete Daten übertragen
werden müssen.“
Jürgen Kletti
42. 42
Competence Book - MES
Roundtable - Architektur und Sourcing
Franz Eduard Gruber
FORCAM ist von dem Wandel hin zu einer komponentenbasierten Anwendungsar-
chitektur überzeugt. Funktionen werden als Webservices zur Verfügung gestellt und
dürften künftig auch durch Dritte im Rahmen einer Prozess-Orchestrierung genutzt
werden können. Das bedeutet, dass monolithische Systemarchitekturen für ERP und
MES Auslaufmodelle sind.
Immer mehr Unternehmen denken neu und entscheiden sich für innovative „Best
of Breed“-Funktionen anstelle von allumfassenden Lösungsanbietern. FORCAM hat
sich aus diesem Grund als Anbieter bei Trovarit streichen lassen. Im Idealfall kann
ein Kunde „Best of Breed“-Funktionen zu einem Prozess verknüpfen. Global tätige
Unternehmen mit komplexen Fertigungsstrukturen setzen zum Beispiel auf unsere
Connectivity-Engine, um heterogene Maschinensteuerungen kostengünstig zu inte-
grieren. Bei der Schweizer Bühler AG, die weltweit führend ist in mechanischer und
thermischer Verfahrenstechnik zur Herstellung von Mehl, Futtermitteln, Pasta und
Schokolade, ging es zum Projektstart darum, 60 verschiedene Werkzeugmaschinen
für 700 unterschiedliche Produkte einheitlich anzuschließen.
Um zukunftsfähig zu bleiben, raten wir Unternehmen, sich zu fragen: Unterstützt
der Lösungskomponentenanbieter die von der Fraunhofer Gesellschaft postulierten
technologischen Anforderungen an eine Industrie 4.0-Lösung? Nämlich: Cloud-Fä-
higkeit (auch Private Cloud), Service-Orientierung, regelbasierte Business-Logik.
Lösungsanbieter werden nur noch erfolgreich sein, wenn sie diese Anforderungen
erfüllen und die benötigten Komponenten wie Apps oder Agenten über zertifizierte
Schnittstellen reibungslos integrieren können.
Mein Szenario 2020: Anwender können in herstellerübergreifenden Online-Biblio-
theken Funktionsbausteine finden, bewerten, testen und reibungslos montieren.
Architektur
und Sourcing
„Mein Szenario 2020: Anwender können in
herstellerübergreifenden Online-Bibliotheken
Funktionsbausteine finden, bewerten, testen
und reibungslos montieren.“
Franz Eduard Gruber
43. 43
Competence Book - MES
Roundtable - Architektur und Sourcing
Karl M. Tröger
Die Architektur wird sich schrittweise den neuen Erfordernissen anpassen. Mit der
Entwicklung von Kommunikationsstandards zwischen den verschiedenen Ebenen
entsteht eine allgemeingültige Sprache für den Informationsaustausch zwischen
den verschieden Systembestandteilen. Es kommt immer mehr darauf an, unter Nut-
zung von Standards und zukunftsfähigen Technologien die Integrationsfähigkeit
aller Komponenten, seien es klassische Softwarelösungen oder auch Automatisie-
rungssysteme und intelligente Produkte, voranzutreiben. Auf diese Weise wird auch
das „Gespenst Schnittstelle“ seinen Schrecken verlieren und die funktionalen Vor-
teile einzelner Lösungskomponenten können integrativ in vollem Umfang genutzt
werden.
Systeme, die sich im Internet der Dienste und Dinge präsentieren wollen, müssen
zwangsläufig über hochentwickelte und standardisierte Kommunikationstechnolo-
gien verfügen und aus Sicht der Architektur flexibel genug sein, um neu entstehende
Standards nutzbar machen zu können.
Kommunikations- bzw. Integrationsplattformen wird eine immer größere Bedeutung
zukommen. Nur so können sich die horizontalen Wertschöpfungsnetzwerke dyna-
misch zusammenfinden. Beispiele für solche Plattformen gibt es schon heute (z.B.
myopenfactory.com). Die dazu notwendigen automatisch skalierenden Cloud-Platt-
formen einschließlich der notwendigen Sicherheitsstandards werden entstehen
(müssen). Die vertikale Integration vom Engineering der Produkte und dazugehö-
rigen Produktionssysteme bis in die Automatisierungsebene wird durch ein noch zu
designendes Basissystem Industrie 4.0 – quasi als gemeinsame Sprache – ermöglicht.
„Systeme, die sich im Internet der Dienste und
Dinge präsentieren wollen, müssen zwangsläufig
über hochentwickelte und standardisierte
Kommunikationstechnologien verfügen [...].“
Karl M. Tröger
Architektur
und Sourcing
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Competence Book - MES
Roundtable - Zukunftsentwicklungen
Weitere Zukunfts-
entwicklungen
wie IoT, UX
Einige technologische Innovationen wie IoT werden sicherlich noch
an Bedeutung gewinnen. Auch neue Formen der User Experience
(Gesture, Augmented Reality!) werden sich weiter ändern. Selbst Ga-
mification Ansätze werden diskutiert.
Was sind Ihrer Meinung nach (wirklich) wichtige Zukunftsentwicklun-
gen, die man als Anwender im Blick haben soll? Wo lohnen sich die
Anstrengungen besonders?
45. 45
Competence Book - MES
Roundtable - Zukunftsentwicklungen
„Wichtig wird es sein, schnell neue
IoT Features so einzubinden,
dass diese nutzenorientiert verwendet
werden können.“
„Immer weniger Menschen werden in Zukunft
immer mehr Aufgaben mit der Hilfe von
Software lösen müssen.“
„Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass
es immer wieder auf eine gründliche Analyse der
Anwendungsanforderungen hinausläuft – innovative
Ansätze nutzen wir dann nur noch als Mittel zum
Zweck und nicht um ihrer selbst Willen.“
Andreas Kirsch
Karl M. Tröger
Jürgen Kletti
Zukunfts-
entwicklungen
46. 46
Competence Book - MES
Roundtable - Zukunftsentwicklungen
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kletti
Auch hier bin ich der Meinung, dass es auf den konkreten Anwendungsfall ankommt
– und mit dieser Meinung stehe ich keinesfalls alleine da. Viel wichtiger als die Dis-
kussion zur Verfügung stehender Technologien und Methoden halte ich die Aufnah-
me und Analyse der Anforderungen eines Produktionssystems und der darin wirken-
den Mitarbeiter. Letztendlich muss die Technologie der Sache dienen und die Sache
dem Menschen und dem gesetzten Ziel. Ich kaufe mir doch auch keinen Sportwagen,
um dann festzustellen, dass ich damit zwar ziemlich schnell fahren, aber das Gepäck
für meinen Campingurlaub nicht einladen kann. Vielmehr suche ich mir ein Auto,
das zu meinen Anforderungen passt – in diesem Fall eher einen Kombi oder einen
Van. In der Industrie sollten wir es genauso machen – IoT hin oder her.
Langfristig sinnvoll ist, was zu den jeweiligen Anforderungen passt und nach Mög-
lichkeit so flexibel ist, sich an neue Herausforderungen anzupassen. Dabei sollte man
die genannten Innovationen, Technologien und Methoden nicht außer Acht lassen,
sondern in deren Umfeld nach passenden Lösungen zu den aktuellen Aufgabenstel-
lungen suchen. Auch ist Innovation nicht immer der zielführende Weg – in nicht
wenigen Fällen haben bewährte und anerkannte Technologien und Methoden ihre
Daseinsberechtigung. Ich denke hierbei im Wesentlichen an Lean Manufacturing.
Und an dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, dass sich Lean-Methoden und
der Einsatz innovativer Technologien keinesfalls ausschließen – sinnvoll kombiniert
ergänzen sich beide und maximieren damit ihre Wirksamkeit.
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass es immer wieder auf eine gründliche
Analyse der Anwendungsanforderungen hinausläuft – innovative Ansätze nutzen wir
dann nur noch als Mittel zum Zweck und nicht um ihrer selbst Willen.
Welche Technologien der Markt und insbesondere unsere MES-Anwender für zu-
kunftsfähig halten, erfahren wir übrigens auch aus unserer engen Zusammenarbeit
mit der HYDRA Users Group.
Zukunfts-
entwicklungen
„Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass
es immer wieder auf eine gründliche Analyse der
Anwendungsanforderungen hinausläuft – innovative
Ansätze nutzen wir dann nur noch als Mittel zum
Zweck und nicht um ihrer selbst Willen.“
Jürgen Kletti
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Competence Book - MES
Roundtable - Zukunftsentwicklungen
Andreas Kirsch
Wichtig wird es sein, schnell neue IoT Features so einzubinden, dass diese nutzen-
orientiert verwendet werden können. Hierzu dienen in der Regel sogenannte Use
Case Szenarien. Schließlich ist es durch die rasante Innovationsgeschwindigkeit sehr
schwer zu extrapolieren was z.B. in 5 Jahren an IoT Komponenten nutzbringend und
sinnvoll zur Verfügung steht. Manche werden sich davon durchsetzen manche wer-
den aber bezogen auf die Fertigungsindustrie auch scheitern. Das Thema User Expe-
rience wird durch die steigende Komplexität zukünftig einen sehr wichtigen Stellen-
wert einnehmen und eine höhere Aufmerksamkeit als in der Vergangenheit erfahren.
Wir als GUARDUS verfolgen dieses Thema unter dem Begriff Comfort by Design
schon seit Jahren, um damit dem Anwender bei seinen täglichen Arbeitsprozessen so
zu unterstützen, dass er von der Komplexität einer vernetzen Integration möglichst
wenig belastet wird. Dies hat auch schon immer dazu positiv beigetragen, dass die
Akzeptanz bei der Einführung des Systems insbesondere im Shopfloorbereich sehr
hoch ist. Wir sehen deshalb den Trend zu einem Human Centred Design (HCD) sehr
positiv. In wieweit Gamification welche bei Simulationssoftware sicherlich schon
Einzug gehalten hat sich auf alle Systeme in der Pyramide erstrecken wird, wird sich
im Rahmen der Aufwand und Nutzen Analyse erst noch zeigen.
Zukunfts-
entwicklungen
„Wichtig wird es sein, schnell neue
IoT Features so einzubinden,
dass diese nutzenorientiert verwendet
werden können.“
Andreas Kirsch
49. 49
Competence Book - MES
Roundtable - Zukunftsentwicklungen
Karl M. Tröger
Die Anstrengungen lohnen sich dort, wo Anwender bei der Erledigung ihrer Aufga-
ben bestmöglich und auf die einfachste Weise unterstützt werden können. Techno-
logien wie augmented reality können ein Mittel sein, die Wahrnehmung des Nutzers
sinnvoll zu erweitern. Nicht umsonst ist im Zusammenhang mit der Smart Factory
der Begriff des „Augmented Operators“ entstanden. Das Thema Usability von Soft-
waresystemen wird schon lange diskutiert. Es werden zukünftig immer mehr Men-
schen mit Software umgehen müssen. Diesen muss der Zugang zu Informationen
erleichtert werden. Es kommt darauf an, die Usability von Consumer-Anwendungen
mit denen wir tagtäglich und selbstverständlich umgehen auf Business-Software zu
übertragen.
Die Digitalisierung der Prozesse und Produkte durch das Internet der Dinge und
Dienste erfordert genau diese selbstverständliche Verwendung von Software. Immer
weniger Menschen werden in Zukunft immer mehr Aufgaben mit der Hilfe von Soft-
ware lösen müssen.
„Immer weniger Menschen werden in Zukunft
immer mehr Aufgaben mit der Hilfe von
Software lösen müssen.“
Karl M. Tröger
Zukunfts-
entwicklungen
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Competence Book - MES
Roundtable - Fortschritt und Initiative
Bei aller Euphorie für Innovationen stellt man oft fest, dass die „Pra-
xis“ bei solchen Diskussionen abgehangen wird. Oft fehlen in der Pra-
xis die Grundlagen für Innovationen oder es ist unklar, wie der eigene
Fortschritt gelingen kann.
Wie bewerten Sie die Reife der Praxis für Innovationen wie Industrie
4.0 / MES 4.0? Wie können Unternehmen sich zukunftsfähig aus-
richten, die heute noch Lücken in der System- und Kompetenzbasis
(Prozesse, …) aufweisen? Können Sie 1-2 Beispiele schildern, wo
es „normalen“ Unternehmen der Praxis gelungen ist, sich zukunfts-
orientiert auszurichten? Was waren Herausforderungen, was waren
Erfolgsmuster, wie wurde vorgegangen, was wurde „neu“ geschaffen
mit welchem ROI?
#NextAct für
#NextMES?
53. 53
Competence Book - MES
Roundtable - Fortschritt und Initiative
Andreas Kirsch
Wenn man bedenkt, dass nach Einführung von CIM Bausteinen nach nun mehr 30
Jahren immer noch viele Unternehmen keine papierlose oder gar digitale Fabrik ha-
ben und häufig noch tayloristisch eingeführte CIM Bausteine wie BDE, MDE, CAQ
etc. betreiben und einsetzen, stellt sich mit Industrie 4.0 der Sprung in die digitale
Fabrik für solche Unternehmen natürlich als sehr große Herausforderung dar. Für
solche Unternehmen steht durch die Situation zwischen eingesetzter Praxis und sehr
schnellem innovativem Fortschritt ein großer Innovationssprung zu Industrie 4.0
bevor.
Da wir MES Anbieter sind, ist natürlich in unserem Kundenkreis die Digitalisierung
der Fabrik viel fortgeschrittener. Hier gibt es aber auch bereits Kunden mit Leucht-
turmprojekten, die z.B. das Thema CPS für sich im Rahmen der elektronischen Pro-
duktidentifikation und der One Piece Flow Strategie mit Traceability über mehrere
Standorte schon umgesetzt haben. Dabei war eine wesentliche Voraussetzung die
Rüstzeiten durch hohen Automatisierungsgrad praktisch zu eliminieren und damit
eine Art Einzelfertigung trotz hoher Stückzahl zu erreichen.
Fortschritt
und Initiative
„Für solche Unternehmen (die keine papierlose
oder gar digitale Fabrik haben) steht ein großer
Innovationssprung zu Industrie 4.0 bevor.“
Andreas Kirsch
54. 54
Competence Book - MES
Roundtable - Fortschritt und Initiative
Karl M. Tröger
Die Umsetzung der Konzepte Industrie 4.0 bedarf noch vieler Innovationen. Aber
nicht alles ist auch wirklich neu. Es kommt darauf an, bereits vorhandene Lösungen
bestmöglich zu nutzen und das, in den Lösungen steckende Know-how richtig ein-
zusetzen.
Die horizontale Integration kann schon heute sowohl innerhalb eines Unternehmens
mit Hilfe von Multisite-ERP-Lösungen als auch unternehmensübergreifend durch
die Nutzung von Kommunikationsstandards vorangetrieben werden. EDI-Lösungen
oder auch die myopenfactory-Plattform existieren schon lange. Sie müssen nur be-
nutzt werden und die notwendigen Prozessstandardisierungen sind anzugehen. Als
Vorreiter unter den ERP-Anbietern bezüglich Multisite und myopenfactory befinden
sich viele Unternehmen in der Kundenbasis der PSI die diese Technologien nutzen.
Insbesondere die Automatisierung der übergreifenden Geschäftsprozesse bietet
enormes Potential hinsichtlich der Reduktion der operativen Aufwände und macht
darüber hinaus Informationen in global agierenden Unternehmen rund um die Uhr
verfügbar. Die gemeinsame Datenbasis einer Multisite-ERP-Lösung ist die Grundlage
dafür.
Ein anderes wichtiges Element im Zusammenhang mit der Integration der Ge-
schäftsprozesse mit Kunden und Lieferanten ist die Berücksichtigung der zuneh-
mend volatilen Absatz- und Beschaffungsmärkte. Die adaptive Fertigungssteuerung
der PSI-ERP-Lösung erlaubt die Prognose zukünftiger Bedarfe in Abhängigkeit von
der Nachfrage und steuert den Nachschub in Abhängigkeit der realen Wiederschaf-
fungszeiten. Der Nutzen liegt auf der Hand: Änderungen der Marktverhältnisse im
positiven, wie im negativen Sinne werden automatisiert in die Planung und Produkti-
onsregelung integriert. Signifikante Reduktionen des Umlaufvermögens und der La-
gerbestände sind das vielfach nachweisbare Ergebnis und Verschwendung wird ver-
mieden. Die Liefertermintreue als Nachweis der Kundenorientierung wird gesteigert.
Fortschritt
und Initiative
„Insbesondere die Automatisierung der übergreifenden
Geschäftsprozesse bietet enormes Potential
hinsichtlich der Reduktion der operativen Aufwände
und macht darüber hinaus Informationen in global
agierenden Unternehmen rund um die Uhr verfügbar.“
Karl M. Tröger
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Competence Book - MES
Roundtable - Fortschritt und Initiative
Franz Eduard Gruber
Der Reifegrad von Industrie-4.0-Adaptionen ist in Unternehmen sehr unterschied-
lich. Vom Prozesss her empfehlen wir, lieber in kleinen Schritten anzufangen als groß
zu scheitern, weil alles auf einmal versucht wird. Mit der Digitalisierung setzt ein Da-
ten-Tsunami ein, der durch kluge Planung und klare Kennzahlen wie die Gesamtan-
lageneffektivität (OEE) kanalisiert werden muss. Vier Schritte sollten Unternehmen
auf dem Weg zur digitalen Produktion planen.
Erstens: Akzeptanz in der Belegschaft schaffen. Die technologische Transformation
muss Chefsache sein und mit einem Change-Prozess verbunden sein, damit alle mo-
tiviert sind und tatsächlich Erfolge erzielt werden können. Hauptbotschaft: Die neue
Technologie arbeitet für unseren Standort, nicht gegen ihn.
Zweitens: Eine höchstleistungsfähige IT-Generation 4.0 auswählen. Sie muss he-
terogene Maschinenparks anschließen, Big-Data in Echtzeit in Smart-Data wandeln
und die richtige Information zur richtigen Zeit an die richtige Person übermitteln
können.
Drittens: Mit einem Piloten in einem kleinen Bereich starten. So kann die Hauptpro-
duktion weiterlaufen und alle Prozesse können ausgeübt werden.
Viertens: Die Erfolge aus dem Piloten breit kommunizieren, um dem unternehmens-
weiten Rollout allgemeine Akzeptanz zu verschaffen.
Erfolgsbeispiele: Die AUDI Presswerke in Deutschland haben bereits 2008 mit di-
gitaler Transparenz eine Produktivitätssteigung von 20% in zwölf Monaten erreicht.
Ebenfalls 20% schaffte der Luftfahrtausrüster GKN Aerospace in den USA und ist im
Juni dort mit dem ,Production Leadership Award´ ausgezeichnet worden.
Der Return on Investment liegt nach unseren Erfahrungen bei weniger als zwölf
Monaten.
Fortschritt
und Initiative
„Mit der Digitalisierung setzt ein Daten-Tsunami ein,
der durch kluge Planung und klare Kennzahlen
wie die Gesamtanlageneffektivität (OEE)
kanalisiert werden muss.“
Franz Eduard Gruber
56. 56
Competence Book - MES
Roundtable - Eigene Pläne
Damit die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gelingt, müssen möglichst
viele für den Wandel gewonnen werden. Wir werden mit unseren
Partnern durch Competence Books, Multiplikation in diverse Medien
und ein #NextAct-Event zur Transformation beitragen und dabei auf
die Vernetzung der Community wie auf die Vernetzung mit anderen
Initiativen setzen. Kollaborativ muss der Wandel zur Kollaboration ge-
lingen!
Wo sehen Sie Ansätze, damit dass Transformationswunder Deutsch-
land, insbesondere Industrie 4.0, … gelingt? Wie zufrieden sind Sie
mit den bisherigen Transformations-Ergebnissen? Was sind Ihre ei-
genen Pläne für die kommenden 12 Monate und darüber hinaus, um
sich selbst und Ihre Kunden zu transformieren?
#NextAct-Initiative:
Books, Medien, Events, …
eigene Pläne
58. 58
Competence Book - MES
Roundtable - Eigene Pläne
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kletti
Wie bei jeder größeren Veränderung ist die Information darüber – also die Trans-
parenz – von essenzieller Bedeutung. Die Betroffenen müssen wissen, was auf sie
zukommt, die Veränderungen bzw. deren Notwendigkeit verstehen und diese auch
akzeptieren. Kurz gesagt: Change-Management wird für den Wandel – oder wie Sie
es nennen die Transformation – unverzichtbar sein.
Speziell im Kreis unserer Anwender setzen wir auf einen regen Erfahrungsaustausch.
Beispielsweise werden wir im Rahmen der diesjährigen Anwenderkonferenz im Sep-
tember einen Vortrag von einem MES-Anwender hören, der durch unser MES HYD-
RA sein Unternehmen zur Industrie 4.0 führt. Diese Verknüpfung von HYDRA mit
Industrie 4.0 stammt dabei nicht von uns, sondern wurde vom Anwender selbst her-
gestellt, um den eigenen Mitarbeitern ein erstrebenswertes Ziel vor Augen zu halten.
Wie schon Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1788 zu einer Freundin Caroline
Herder sagte: „Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.“ Konfu-
tius sagt es noch treffender: „Der Weg ist das Ziel“. Ich denke, dass passt beides ganz
gut zur aktuellen Transformation und zu Industrie 4.0. Das Ziel, also Industrie 4.0 ist
ja bekanntermaßen noch recht nebulös – aber auf dem Weg dorthin werden uns und
der Fertigungsindustrie viele nützliche Dinge begegnen, die der Produktivitätsstei-
gerung zuträglich sind. Wir müssen nur den Mut haben, Dinge zu bewegen und Ver-
besserungen ins Rollen zu bringen. Daher sind wir mit der aktuellen Situation schon
recht zufrieden, da viele Fertigungsunternehmen Industrie 4.0 am Horizont erken-
nen und sich auf den Weg machen wollen. Wir unterstützen diese Unternehmen auf
Ihrem Weg sowohl durch integrierte MES-Lösungen als auch durch Beratung bezüg-
lich methodischer Verbesserungen. Solange dieser Trend anhält, werden wir unsere
aktuelle Strategie aufrechterhalten und auch weiterhin an den Herausforderungen
der zukünftigen Fertigungsszenarien forschen und mit unserem Zukunftskonzept
MES 4.0 (www.mes40.de) praxistaugliche Lösungsansätze ausarbeiten. Es gibt noch
viel zu tun, aber wir haben auch schon viel geschafft. Lassen Sie uns nun auch den
restlichen Weg gehen!
Eigene Pläne
„Das Ziel, also Industrie 4.0 ist ja bekanntermaßen
noch recht nebulös – aber auf dem Weg dorthin
werden uns und der Fertigungsindustrie
viele nützliche Dinge begegnen, die der
Produktivitätssteigerung zuträglich sind.“
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kletti
59. 59
Competence Book - MES
Roundtable - Eigene Pläne
Franz Eduard Gruber
Der Wettkampf zwischen Europa, Amerika und Asien um die Führungsposition in
Industrie 4.0 oder Industrial Internet ist groß. Die US-Amerikaner haben durch die
Internetgiganten im Consumerbereich einen uneinholbaren Vorsprung. Für die In-
dustrie 4.0 gibt es in Deutschland zahlreiche Leuchtturmbeispiele. Doch das Glas ist
erst halb voll: Deutsche Unternehmen sollten, ohne auf Politik und Verbände zu war-
ten, noch viel mehr Elan und Entschlossenheit für die vierte industrielle Revolution
aufbringen, denn die Zukunft ist digital.
Zum Informationsaustausch und zur Kollaboration für ein Transformationswunder
Deutschland trägt FORCAM seit vielen Jahren bei. In der Presse wurden wir schon als
Pionier der Industrie 4.0 bezeichnet. In diesem Jahr haben wir bereits zum zwölften
Mal unseren Produktivitätskongress FIT ausgerichtet. Top-Manager unserer Kunden
präsentieren Interessierten ihre Maßnahmen und Erfolge in Sachen smarte Produk-
tion.
Produktseitig wollen wir aktuell vor allem Mittelständlern den Einstieg leicht ma-
chen und bieten ein Smart Factory STARTERT KIT an. Das ist Industrie 4.0 „out of
the box“ – ein fertig konfektioniertes Leistungspaket für ein Pilotprojekt von drei
Monaten zum Festpreis von 20.000 Euro. Enthalten sind eine Basisversion unserer
cloudfähigen Software, der Anschluss von drei unterschiedlichen Maschinensteue-
rungen (MT CONNECT, Siemens, proprietäre Steuerungen) sowie Beratungs- und
Schulungsleistungen. In diesen drei Monaten schaffen die Unternehmen Produktivi-
tätssteigerungen von durchschnittlich acht Prozent. Dieser Erfolg wird im weiteren
Rollout in deutlich zweistellige Prozentbereiche gesteigert.
Eigene Pläne
„Deutsche Unternehmen sollten, ohne auf Politik
und Verbände zu warten,
noch viel mehr Elan und Entschlossenheit
für die vierte industrielle Revolution aufbringen,
denn die Zukunft ist digital.“
Franz Eduard Gruber
61. 61
Competence Book - MES
Roundtable - Eigene Pläne
Karl M. Tröger
Zu diesem Thema ist schon viel geschrieben worden. Meine persönliche Meinung
finden Sie am besten beschrieben in einem Artikel in der Huffington Post. Dort finden
Sie die 11 Ideen zur erfolgreichen Umsetzung der Transformationsprozesse.
Eines der wichtigsten Elemente ist dabei, Chancen und erste Ergebnisse frühzeitig
zu kommunizieren und damit das Vertrauen in das Gelingen der Transformation zu
fördern und Know-How Träger zu involvieren und zu begeistern. Nur dann werden
wir erfolgreich sein und Erfolg ist das Einzige das zählt!
Im Zentrum von „Industrie 4.0“ steht mit dem Begriff der „Kollaborationsprodukti-
vität“ eine neue Dimension der Leistungsfähigkeit der Wertschöpfungsaktivitäten,
mit deren Hilfe eine deutliche Produktivitätssteigerung erwartet wird. Es werden
enorme Potenziale durch die Umsetzung der hinter Industrie 4.0 stehenden Ideen
erwartet. Dennoch ist der Bekanntheitsgrad der Konzepte von Industrie 4.0 und ers-
ter Erfolgsbeispiele bisher als eher gering einzuschätzen. Diese Diskrepanz zwischen
der Beschreibung der wirtschaftlichen Potentiale und der Wahrnehmung in der In-
dustrie muss überwunden werden. Das „Team Deutschland“ braucht einen entspre-
chenden sichtbaren Team-Spirit. Die Ausbildung der kommenden Generationen von
Arbeitskräften ist auf die zukünftigen Anforderungen auszurichten („Master of Inte-
roperation and Business Integration“).
Eigene Pläne
„Eines der wichtigsten Elemente ist dabei, Chancen
und erste Ergebnisse frühzeitig zu kommunizieren
und damit das Vertrauen in das Gelingen der
Transformation zu fördern [...].“
Karl M. Tröger
63. 63
Competence Book - MES
Inhalt
Einleitung Perspektiven und Vorgehen Architektur und Bausteine
Unser Kompetenz-Netzwerk
Partner des Competence Books
Zukunftsbild Jürgen Kletti
MES – mehr als nur Software!
Zukunftsbild Burkhard Röhrig
Industrie 4.0:
Es ist noch viel zu tun
Zukunftsbild Andreas Kirsch
Was hat eigentlich Industrie 4.0 mit einer
Pralinenschachtel zu tun?!
Zukunftsbild Karl M. Tröger
MES für die nächste Generation
Wissen kompakt
Infografiken zu MES
Roundtable #NextMES
Produktionssteuerung im Zeitalter neuer
Technologien und Paradigmen
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23
28
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134
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142
Architektur l
Das Industrie 4.0 Ecosystem
Architektur ll
MES als Teil einer
integrierten IT-Landschaft
Architektur lll
Architektur für MES im IoT-Umfeld
Smarte Produktion l
Agile Regelkreise in der
Produktionslogistik von morgen
Smarte Produktion ll
Betriebssystem für
wandlungsfähige Fertigungsanlagen
Technologie
Das ABC der Smart Factory
Planung l
Feinplanung in der Fertigung
Planung ll
Von Feinplanung bis Qualitätsmanagement
MES IQ l
Manufacturing Intelligence
MES IQ ll
MES - Kennzahlen - KPI
Kommunikation
Bidirektionale Kommunikationswege
Mobile
MES Mobile
Industrie 4.0 l
Bedeutung für mittelständische
Produktionsunternehmen
Industrie 4.0 ll
MES als Wegbereiter
Industrie 4.0 lll
Lean MES 4.0 -
eine mittelstandstaugliche Alternative
Industrie 4.0 lV
MES „on demand“
für die selbstlernende Fabrik
Vorgehen l
Die 4 Stufen zur Smart Factory
Vorgehen Il
Auswahl und Einführung von MES
Vorgehen lll
Erfolgreiche IT-Projekte im Shopfloor
64. 64
Competence Book - MES
Industrie 4.0 l - Bedeutung für mittelständische Produktionsunternehmen
Welche Bedeutung
hat Industrie 4.0
für mittelständische
Produktionsunternehmen?
AUTOR: Dr. Karl-Heinz Gerdes, FASTEC GmbH
Industrie 4.0 (I 4.0) ist nun schon seit einiger Zeit ein Dauerbrenner - nicht nur in den
Medien, sondern auch in den Leitungsebenen der Unternehmen. Überraschend da-
bei ist, dass es immer noch keine allgemein akzeptierte Definition gibt, wofür genau
I 4.0 eigentlich steht.
Ein gemeinsamer Nenner lässt sich trotzdem in allen Antworten auf diese Frage aus-
machen: I 4.0 ist der nächste Entwicklungsschritt in der industriellen Produktion;
einer, bei dem die IT einen dominanten Einfluss hat. Aber was bedeutet das konkret?
65. 65
Competence Book - MES
Industrie 4.0 l - Bedeutung für mittelständische Produktionsunternehmen
Industrie 4.0: Ein evolutionärer Prozess
Die hier gegebene Antwort fußt auf der Überzeugung des Au-
tors, dass I 4.0 keine Revolution ist, sondern eine Stufe in ei-
nem stetig fortschreitenden evolutionären Prozess darstellt.
Dies lässt sich durch einen Rückblick auf die letzten 3 Jahr-
zehnte Produktionstechnik leicht beweisen. Einige Stichworte
dazu sind der Einzug von SPSen in den Maschinen- und An-
lagenbau, zuerst als zentral aufgebaute Steuerungssysteme,
später erfolgt eine immer weiter voran schreitende, zuerst nur
hardwareseitige Dezentralisierung über Feldbussysteme, dann
die Vernetzung von Steuerungen untereinander; immer kom-
plexere Automatisierungen (z. B. Zellen) mit übergeordneten
Leitrechnern und eine wachsende Integration in der Anlagen-
technik mit der Tendenz, alles miteinander zu vernetzen, was
in Zukunft im Internet of Things münden soll. Möglich wurde
diese Entwicklungskette dank des enormen Fortschritts in der
Elektronik, Halbleitertechnik und Software, gekoppelt mit ste-
tig sinkenden Kosten von IT-Komponenten.
Die Vision der „Smart Factory“
Diesen Entwicklungsprozess treibt eine schon lange existie-
rende Idee in den Köpfen vieler Produktionstechniker an: Die
Vision einer Fabrik, die den Menschen nicht mehr braucht, um
alle möglichen Produkte in beliebiger Skalierung zu minima-
len Kosten herzustellen und die sich flexibel selbst an ein belie-
biges Produktionsprogramm anpassen kann.
Um es gleich vorweg zu nehmen: diese Vision wird wohl noch
einige Zeit als Vision weiter existieren müssen, aber wir sind
ihrer Verwirklichung im Laufe der Jahrzehnte ein gutes Stück
näher gerückt. Was ist also heute schon möglich, nicht aus der
Sicht der Wissenschaft, sondern aus der Sicht eines pragma-
tisch agierenden Unternehmens und wohin geht die Reise?
Hierauf eine für jegliche Art von Unternehmen allgemeingül-
tige Antwort zu geben, ist wohl aufgrund der riesigen Band-
breite produzierender Unternehmen unmöglich. Wenn wir uns
aber etwas fokussieren, z. B. auf Unternehmen mit Serienpro-
duktion, fällt die Antwort schon leichter. Bei diesen Firmen
kommen, abhängig von den zu produzierenden Stückzahlen
und der Komplexität der Güter, in unterschiedlichem Umfang
Automatisierungslösungen von geringer bis hin zu hoher Kom-
plexität zum Tragen. Die Automatisierung ist eine wesentliche
Basis der industriellen Produktion und auch die Grundlage für
I 4.0.
MES-Bedarf mittelständischer Produktionsunternehmen
Heute nutzen viele Unternehmen in unterschiedlichem Um-
fang IT-Systeme im Bereich der Produktion. Oftmals sind es
einfache, Excel-basierte Anwendungen, die für die unterschied-
lichsten Aufgaben (Produktionscontrolling, QS, Planung, etc.)
zum Einsatz kommen. Da viele von diesen Programmen jedoch
unverknüpft nebeneinander existieren, erbringen sie nicht den
maximalen Nutzen. Dieses Manko versucht der noch relativ
junge MES-Markt zu beheben.
SPSen in den
Maschinen- und
Anlagebau
Komplexere
Automa-
tisierung
Internet of
Things
SPS als zentral aufgebautes Steuerungssystem
Hardwareseitige Denzentralisierung über Feldbussysteme
Vernetzung von Steuerungen untereinander
übergeordnete Leitrechner
wachsende Integration in der Anlagentechnik
Vernetzung aller in die Produktion integrierten
prozessgebundener Betriebsmittel und die Einbindung und
Steuerung des Prozess-verkettenden Materialflusses
Abb. 1: Rückblick auf die letzten drei Jahrzehnte Produktionstechnik
66. 66
Competence Book - MES
Industrie 4.0 l - Bedeutung für mittelständische Produktionsunternehmen
MES-Funktionen und aktuelle Einsatzgebiete
MES-Lösungen sind produktionsunterstützende IT-Systeme.
Laut Begriffsdefinition besitzen sie eine breite Palette an Funk-
tionen und führen die früher als eigenständige Programme
implementierten MDE-, BDE-, DNC- oder Planungslösungen in
einer Applikation zusammen. Somit entfallen Schnittstellen,
wodurch ein problemloser Datenaustausch zwischen den Mo-
dulen möglich wird.
Eine MES-Lösung ist immer ein individualisiertes System, weil
es die individuellen Anforderungen der Produktion erfüllen
muss. Standardsysteme erreichen diese Anpassbarkeit durch
ein hohes Maß an eingebauten Konfigurationsmöglichkeiten.
Verglichen mit diesen standardbasierten Systemen scheiden
Individuallösungen in den meisten Fällen aufgrund überpro-
portionaler Kosten aus. Ein weiterer Nachteil ist, dass jede
Weiterentwicklung des Systems mit zusätzlichen Kosten ver-
bunden ist.
Heute erfüllen MES-Lösungen viele Funktionen. Sie sorgen für
Transparenz in den Prozessen und beschleunigte Prozessab-
läufe durch schnellere Informationsflüsse. Sie unterstützen die
Mitarbeiter durch stets aktuelle Instruktionen und Informati-
onen an ihren Arbeitsplätzen. Sie übernehmen die Ablaufpla-
nung, unterstützen präventiv und operativ die Instandhaltung,
schaffen die Datenbasis für eine lückenlose Rückverfolgbar-
keit, binden die QS ein, überwachen durch Energie-Monitoring
die Verbräuche, um nur einige der wichtigsten zur Verfügung
stehenden Funktionen zu benennen.
Das „E“ in MES: der Einfluss von I 4.0
Während MES-Lösungen zurzeit überwiegend als „Informati-
ons“-Systeme die Mitarbeiter unterstützen, verlagert sich ihre
Funktionalität durch die fortschreitende Entwicklung von I 4.0
dahin, dass ihre Rolle als ausführendes System (Execution - das
E in MES) immer mehr Gewicht bekommt. Dieser Schritt be-
dingt, dass MES und Maschinen immer stärker vernetzt wer-
den. Das bedeutet für die Zukunft, dass die MES-Lösung nicht
mehr per DNC und Prozessmeldungen mit der Maschine kom-
muniziert, sondern sie auch steuert und dementsprechend in
die Maschinensteuerung eingreift.
I 4.0 = Verkettung der gesamten Produktion
Allerdings ist für effiziente Prozesse dieser Schritt allein nicht
ausreichend. Erforderlich ist die komplette Vernetzung in der
gesamten Produktion, also nicht nur die Einbindung der Ma-
schinen und Anlagen, sondern auch weiterer prozessgebunde-
ner Betriebsmittel und die Einbindung und Steuerung des Pro-
zess-verkettenden Materialflusses. Bisher haben Zellenrechner
solche Aufgaben in kleinerem Umfang erfüllt, in I 4.0 ist nun
allerdings die gesamte Produktion betroffen.
Bedingt durch diese Entwicklung zeichnet sich eine wesentli-
che Herausforderung ab: die bei diesem integrativen Ansatz
bestehende Vielzahl an Schnittstellen. Sie lässt sich operativ
und unter Kostenaspekten nur durch Standardisierungen lö-
sen. Das erfordert nicht nur die Schaffung von Normen, son-
dern auch ein Umdenken bei den Anlagenbauern und Maschi-
nenlieferanten, da diese so der gefürchteten Austauschbarkeit
ihrer Produkte gefährlich nahe kommen. Mit OPC-UA ist
hier eine Basis entstanden, die aber nicht mehr als nur eine
allgemeine Kommunikationsgrundlage schafft. Denkt man
weiter in Kategorien von Plug & Play, müssen auch inhaltliche
Standards folgen, ähnlich den Applikationsprofilen bei Profi-
bus, welche wiederum bei der Breite der Anwendungen eine
große Herausforderung darstellt. Der darauf folgende Schritt
wäre der Austausch relevanter Informationen in Echtzeit über
Unternehmensgrenzen hinweg, also die Anbindung aller an
einem Produkt beteiligten Lieferunternehmen in das Produk-
tions-Informationssystem. Da viele Unternehmen Zulieferer
und Abnehmer für viele andere Produktionsunternehmen
sind, liegt der Gedanke nah, dass schlussendlich ein komplett
vernetztes Produktionsnetzwerk aller produzierenden Unter-
nehmen entstünde.
Wer nach I 4.0 strebt, muss MES als Grundlage nutzen
Kehren wir zurück in den gewöhnlichen Produktionsalltag,
ist allerdings festzustellen, dass viele Unternehmen noch ei-
nen weiten Weg zurücklegen müssen, denn bei etlichen klei-
nen und mittelständischen Betrieben ist heute noch keine
MES-Lösung im Einsatz. Diesen Unternehmen ist schon aus
Kostengründen anzuraten, zügig den ersten Schritt in die neue
Welt zu tun. Mit der Maschinen- und Betriebsdatenerfassung
„Da viele Unternehmen Zulieferer und Abnehmer für viele andere
Produktionsunternehmen sind, liegt der Gedanke nah, dass schlussendlich ein komplett
vernetztes Produktionsnetzwerk aller produzierenden Unternehmen entstünde.“
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Competence Book - MES
Industrie 4.0 l - Bedeutung für mittelständische Produktionsunternehmen
als Komponente einer ausbaufähigen MES-Lösung verschafft
sich das Unternehmen eine Transparenz, die rasch Kosten-
senkungen und Produktivitätssteigerungen ermöglicht. Wer
erfolgreich diesen ersten Schritt gegangen ist, ist schnell be-
reit, die nächsten Schritte folgen zulassen. Welcher Schritt ge-
nau ist i.d.R. davon abhängig, wo nun der Schuh am meisten
drückt. So kann jetzt z. B. auf der Basis solider Daten aus der
Produktion die Planung mithilfe einer manuellen, halb- oder
vollautomatischen Feinplanung verbessert werden. Bei eini-
gen Zulieferern ist auch Traceability ein sinnvoller Schritt zur
Qualitätsabsicherung bzw. –steigerung. Instandhaltung und
Energie-Monitoring können unterstützend zu weiteren Effizi-
enzsteigerungen führen.
Wenn auf diese Weise Schritt für Schritt die IT-Seite der Pro-
duktion aufgebaut worden ist, können in der nächsten Stufe die
Maschinen stärker in den Fokus gerückt werden und Prozess-
daten, Prozessverriegelungen, DNC und QS-Integration da, wo
es Sinn macht, hinzugenommen werden.
Industrie 4.0 ist ein situationsbedingtes Ziel
Bei den meist mehrstufigen Produktionsprozessen führt jetzt
die Verkettung aller Prozessschritte durch eine Erweiterung
des MES zum Einstieg in I 4.0. Natürlich ist es oft vor allem
eine Frage der produzierten Stückzahlen, ob sich eine physi-
kalische Verkettung über automatisierte Materialfluss-Systeme
rechnet, oder ob andere Wege geeigneter sind. Waren bislang
meist starre Verkettungen das Mittel der Wahl, geht Industrie
4.0 eher in die Richtung der flexiblen Verkettung. Alle Maschi-
nen und Arbeitsplätze sind dann untereinander verkettet, die
unterschiedlichen zu produzierenden Produkte folgen bis zur
Fertigstellung aber ihren individuellen Routen. Bei sehr rüst-
flexiblen Maschinen und Anlagen, wäre die daraus resultieren-
de Idealvorstellung, alle Produkte im Mix fertigen zu können.
Ob das überhaupt sinnvoll und erreichbar ist, ist sicher auch
eine Frage der Breite der Produktpalette in der Produktion.
In noch weiterführenden Ansätzen von I 4.0 werden jetzt die
Engineering-Prozesse und die Produktionsabläufe enger ver-
zahnt. Das geht bis hin zum Web-Shop, in dem der Kunde seine
„individuelle Produktvariante“ selbst designt. Und all das ist
heute schon möglich, wenn auch noch die seltene Ausnahme.
Bleiben wir auf dem Boden der Alltagswelt produzierender
Unternehmen, so bedeutet I 4.0 zuerst einmal den verstärkten
Einsatz von IT in der Produktion – sprich MES. Darauf folgt,
das „E“ in MES wirksam umzusetzen: Execution bis hinunter
auf die Steuerungsebene.
Schlussendlich sei noch gesagt, dass Industrie 4.0 einen sehr
umfangreichen Ansatz darstellt, der ein behutsames Vorgehen
in gesetzten Schritten erfordert, damit das Ganze nicht schei-
tert. Und Ausdauer ist hierbei eine Kardinaltugend.
Karl-Heinz Gerdes
Dr. Karl-Heinz Gerdes ist Geschäftsführer bei der FASTEC GmbH und ist seit über 30 Jahren auf dem
Gebiet der rechnerintegrierten Produktion aktiv.
Parallel zu seinem Studium arbeitete er schon an mikroprozessorgesteuerten Automatisierungslö-
sungen für Mess- und Prüfprozesse. Im Rahmen seiner Promotion entwickelte er ein vernetztes,
dezentral organisiertes System intelligenter Objekte, die als Repräsentanten von Maschinen und
Anlagen Planungs-, Steuerungs- und Überwachungsfunktionen erfüllten. Leitmotiv für die daran
anschließende Gründung der FASTEC GmbH war die Entwicklung von dezentralen Steuerungs- und
Vernetzungslösungen von verketteten Anlagen mit übergeordneten Leitrechnern. Auf dieser Basis
und gereift durch die Erfahrungen aus vielen komplexen Kundenprojekten entwickelte sich die heute
von FASTEC vertriebene MES-Lösung FASTEC 4 PRO.
68. 68
Competence Book - MES
Industrie 4.0 ll - MES als Wegbereiter
MES als Wegbereiter
für Industrie 4.0
IT-Werkzeuge für die Smart Factory
AUTOR: Burkhard Röhrig, Geschäftsführer, GFOS mbH
Industrie 4.0 ist zu einem absoluten Trendthema in der produzierenden Industrie
geworden. Auch beim VDMA genießt dieses Thema die entsprechende Aufmerksam-
keit. Schon viele Jahre betreibt der VDMA Arbeitskreis MES die Standardisierung von
Kennzahlen und Informationserfassungen und begleitet damit die Zukunftsinitiative
Industrie 4.0, die gemeinschaftlich von VDMA, BITKOM und ZVEI getragen wird.
69. 69
Competence Book - MES
Industrie 4.0 ll - MES als Wegbereiter
Ohne Zweifel bringt die 4. industrielle Revolution neue Anfor-
derungen an Produktionssysteme, Maschinen und Menschen
mit sich. Sämtliche am Produktionsprozess beteiligten Kom-
ponenten wie auch der Mensch werden miteinander vernetzt.
Kommunikation und damit Information sind Produktionsfak-
toren. So wird die Produktion zunehmend flexibler und erfor-
dert ein immer schnelleres Handeln. Darüber hinaus wird ein
Höchstmaß an Transparenz notwendig. Auch wird Industrie
4.0 dafür sorgen, dass „Made in Germany“ seinen führenden
Anspruch bewahren kann und dass Deutschland als Produk-
tionsstandort und Exporteur von Produktionstechnologie wei-
terhin an der Spitze bleibt, sofern wie unsere Chancen recht-
zeitig nutzen und entsprechende Lösungen bereitstellen.
Die Anforderungen an die Produktion der Zukunft sind sehr
hoch, denn die Märkte werden immer volatiler, die Anzahl der
global agierenden Marktteilnehmer wächst und Produkte müs-
sen immer kundenspezifischer ausgerichtet sein. Gleichzeitig
sind die Erwartungen an Niveau und Qualität der Produktion
hoch. Dies erfordert flexiblere, reaktionsfähigere Produktions-
systeme und auch Mitarbeiter.
Das Internet hält Einzug in die Fabrikhallen: Produzierende
Unternehmen werden ihre Betriebsmittel zukünftig weltweit
vernetzen und es werden die sogenannten Smart Factories
entstehen. Zu den Technologien der Industrie 4.0 zählen Cy-
ber-Physische Systeme, aber auch aktuelle technische Entwick-
lungen wie zum Beispiel die Nutzung von mobilen Endgeräten.
Durch eine umfangreiche Ausstattung der Produktion mit
Sensorik und durch die durchgehende Vernetzung ermöglicht
die 4. industrielle Revolution Produktionsdaten von besonders
hoher Qualität. Es entsteht ein echtes Abbild des aktuellen
Produktionsgeschehens.
Dies wiederum ist eine wesentliche Voraussetzung für eine
neue, dezentrale und echtzeitfähige Prozesssteuerung. Nur so
können komplexere Entscheidungen in einem kundenindivi-
duellen Produktionsumfeld dezentral getroffen werden. Diese
Dezentralisierung verlangt eine aktuelle Datengrundlage und
eine schnelle Kommunikation, um übergreifende Abläufe und
Prozesse zu steuern.
Der Mensch bleibt dabei die wichtigste Kontroll- und Entschei-
dungsinstanz. Verantwortliche Mitarbeiter nutzen zukünftig
verstärkt mobile Endgeräte, um stets informiert zu sein und
so schnell und effizient fundierte Entscheidungen treffen, so-
wie - in Echtzeit und standortunabhängig - in die Produktion
eingreifen zu können.
Bei aller Dezentralität ist es dennoch sinnvoll, eine zentrale
Instanz zur Koordinierung und Synchronisation einzurichten.
So können MES Systeme bereits im Hier und Jetzt die Brücke
in die Zukunft bauen und als virtuelle Ebene zum Teil schon
jetzt Konzepte vorwegnehmen, die essentiell für Industrie 4.0
sein werden.
„Durch eine umfangreiche Ausstattung der Produktion mit Sensorik und durch
die durchgehende Vernetzung ermöglicht die 4. industrielle Revolution
Produktionsdaten von besonders hoher Qualität.“
71. 71
Thema
Competence Book - MES
Smarter aufgestellt mit MES &
Workforce Management
IHR PARTNER FÜR
DIE INDUSTRIE
72. 72
Competence Book - MES
Industrie 4.0 lll - Lean MES 4.0
Lean MES 4.0 -
eine mittelstandstaugliche
Alternative zur Industrie 4.0?
AUTOR: Michael Möller, Geschäftsführer, gbo datacomp GmbH
Industrie 4.0 ist in aller Munde und gilt als der Hoffnungsträger für Deutschlands
Ökonomie. Auch für MES-Systeme wird eine (Neu-)Ausrichtung auf die Industrie
4.0 gefordert. Zugleich fürchten Anwender, vor allem im Mittelstand, aber unnötige
Komplexitäten durch allumfassende Systeme und Investitionen in Hightech-Lösun-
gen. Gibt es dazu Alternativen? In diesem Beitrag wird Lean MES 4.0 als die schmerz-
losere Alternative vorgestellt. MES an sich bietet als Brückentechnologie bereits die
notwendige Kollaborationsproduktivität durch Integration. Lean MES auf der Basis
von heutigen und zukünftigen Standards und Rahmenarchitekturen sorgt für einen
fokussierten Entwicklungspfad und schafft vor allem dort Lösungen, wo heute noch
ungenutzte Produktivitätspotenziale ruhen.